Ein Jahr im Wandel - Was sagen unsere Schüler:innen zum Neuen Lernen?
- Sven Averkamp
- 2. Aug. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Aug. 2024
Unser Konzept des Neuen Lernens steht für die Förderung von insbesondere vier zentralen Kompetenzen: Kritisches Denken, Kreativität, Kommunikation und Kollaboration. Diese Kompetenzen sind essenziell, um Schüler:innen auf die Herausforderungen der modernen Welt (VUCA) vorzubereiten. Mit unserem Vorgehen unterrichten wir im Sinne der Vision 2035 der Berufsbildenden Schulen in Bremen .
Bevor das neue Schuljahr beginnt, wollen wir noch einmal einen Blick auf das Schuljahr 2023/2024 werfen. Unsere Schüler:innen teilten uns in ihren angefertigten Reflexionen sowohl positive als auch negative Aspekte ihres ersten Ausbildungsjahres mit. Die Reflexionen bieten einen wunderbaren Einblick in das Konzept des Neuen Lernens. Hierzu möchten wir im folgenden Text unsere Schüler:innen durch Originalzitate zum Ausdruck kommen lassen, ohne diese aber namentlich zu nennen.

Herausforderungen und Anpassungen:
Viele Schüler:innen berichten, dass die Umstellung auf das Neue Lernen eine große Herausforderung darstellte. Eine Schülerin beschreibt: „Zu Beginn war es ein wenig schwierig, mich an die neuen Routinen und das veränderte Umfeld zu gewöhnen. Besonders die Größe der Klasse und das neue Schulsystem waren anfangs überwältigend.“ Das eigenverantwortliche Lernen stellte für einige eine Herausforderung dar, da das hohe Maß an Eigenverantwortung überfordernd wirkte. „Es war eine Herausforderung, sich eigene Zeitfenster zu setzen und die Motivation aus mir selbst herauszuschöpfen, weil ich es davor so noch nicht kannte,“ reflektiert eine andere Schülerin. Ein Schüler reflektiert: „Ich kam zur Berufsschule ohne Erwartungen und war überrascht, denn ich wurde einer Klasse zugeteilt, in der das Neue Lernen im Vordergrund stand. Im Gegensatz zu meiner bisherigen Schullaufbahn, in der ich wenig zielstrebig war und dementsprechend schlechte Noten hatte, erlebte ich hier genau das Gegenteil. Die Themen verstand ich schnell, konnte mir Informationen gut beschaffen und meine Lernkurve stieg, was für mich sehr unerwartet war. Das eigenverantwortliche und freie Lernen war zu nächst nicht leicht, motivierte mich aber enorm.“
Positives Lernen und persönliche Entwicklung:
Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten entdeckten viele Schüler:innen positive Aspekte des Neuen Lernens. Eine Schülerin betont: „Mit der Zeit fand ich Gefallen daran und schätze nun die neuen Methoden sehr.“ Die Nutzung moderner digitaler Plattformen und Tools wie Canva, Miro, ChatGPT oder der Einsatz von ERP-Software sowie agiler Vorgehensweisen, half ihnen, ihr technisches Verständnis und ihre Selbstorganisation zu verbessern. Besonders kreative Aufgaben, wie das Arbeiten am eigenen Modellunternehmen, wurden als sehr praxisnah und motivierend empfunden. Wie bereits betont, ist die Entwicklung der 4K-Kompetenzen – Kritisches Denken, Kreativität, Kommunikation und Kollaboration – ein zentraler Bestandteil des Neuen Lernens und wurde in den Reflexionen mehrfach hervorgehoben. Eine Schülerin berichtet: „Ich habe festgestellt, dass ich in der Lage bin, mich mit anderen zu verbinden, Ideen auszutauschen und gemeinsam an Projekten zu arbeiten, um optimale Ergebnisse zu erzielen.“ Eine andere Schülerin fügt hinzu: „Ich bin stolz darauf, dass ich meine Zeitplanung und Organisation verbessert habe, was mir ermöglicht hat, meine Aufgaben effizienter zu bewältigen.“ Ein Schüler beschreibt seine Erfahrung: „Meine Zielstrebigkeit hilft mir dabei, oft die Führung in Gruppen zu übernehmen und das Beste aus jedem herauszuholen. Besonders positiv stimmt mich der Draht zu den Lehrern. Wir haben mitgeteilt bekommen, dass wir die Lehrer duzen dürfen, was ein Gefühl von Gleichheit schafft. Die Lehrer hören zu und helfen, auch wenn es unsererseits Kritikpunkte gibt.“
Gruppenarbeit und soziale Fähigkeiten:
Die Gruppenarbeit stellte sowohl eine Herausforderung als auch eine Bereicherung dar. Einige Schüler:innen empfanden die Zusammenarbeit als schwierig, insbesondere wenn die Teamdynamik nicht stimmte. „Gruppenarbeiten stressen mich einfach sehr,“ reflektiert eine Schülerin ehrlich. Gleichzeitig verbesserten sich viele in ihren Teamfähigkeiten und lernten, konstruktives Feedback zu geben und zu empfangen. „Die erste Gruppenarbeit verlief nicht wie erwartet, doch durch konsequentes Feedback und die regelmäßige Überprüfung meines Lernfortschritts konnte ich mich stetig verbessern,“ erzählt eine andere Schülerin. Ein Schüler ergänzt: „Die Aufgabe, ein eigenes Unternehmen zu gründen, eignete sich perfekt, um meine Fähigkeiten zu präsentieren. Wir mussten schnell denken, schnell handeln und uns gut absprechen, was im Unterricht enorm gefördert wird. Dennoch gab es auch dort Schwierigkeiten. Wir waren in neuen Gruppen, kannten uns kaum und mussten uns mehrere Wochen zusammentun, um eine Aufgabe zu erledigen. Die Schwierigkeit bestand gewiss darin, sich abzusprechen, die Aufgaben richtig zu verteilen und zu erledigen und vernünftig und respektvoll zu kommunizieren. Das Ganze bewältigten wir sehr gut.“
Eigenverantwortung:
Ein zentrale Aspekt des Neuen Lernens ist die Förderung der Eigenverantwortung. Eine Schülerin reflektiert: „Früher habe ich mich stark auf den Input der Lehrer verlassen, aber jetzt gehe ich selbstbewusster an Aufgaben ran und löse sie auch meistens auf eigene Faust.“ Eine andere Schülerin fügt an: „Wenn ich auf dieses Jahr zurückblicke, habe ich mich sehr verändert. Ich habe mich oft über die kleinsten Dinge gestresst – Dinge, über die ich heute gar nicht mehr nachdenke. Schule macht mir hier mehr Spaß als die Art von Schule, die ich davor erlebt habe. Ich denke, es liegt daran, dass ich hier Dinge so angehen kann, wie ich möchte. Ich glaube, ich habe diesen Freiraum schon immer gebraucht.“ Die Schüler:innen entwickelten ein tieferes Verständnis für die behandelten Themen und stärkten ihre Problemlösungskompetenz. „Ich habe erkannt, dass ich nicht immer auf die direkte Anleitung eines Lehrers angewiesen bin, sondern in der Lage bin, eigenständig zu recherchieren, zu analysieren und zu lernen,“ berichtet eine weitere Schülerin stolz.
Konsequenzen für das nächste Schuljahr:
Basierend auf den Reflexionen unserer Schüler:innen planen wir mehrere Maßnahmen, um das Konzept des Neuen Lernens weiter zu verbessern. Von Niklas Luhmann (Systemtheorie) wissen wir, dass man Eigenverantwortung nicht einfordern kann. Um die Eigenverantwortung jedoch besser zu fördern, werden wir noch klare Strukturen und Erwartungen kommunizieren, innerhalb derer sie ihre Eigenverantwortung entwickeln können. Dies ist besonders wichtig, da viele Schüler:inne die Umstellung und Eigenverantwortung als schwierig empfanden. Hierzu werden wir u. a. noch stärker beratend in die Teams gehen. Ferner wollen wir die Methoden schrittweise einführen, um Überforderung zu vermeiden und den Schüler:innen die Möglichkeit zu geben, sich an die neuen Anforderungen anzupassen. Bereits zum Ende des Jahres haben wir eine regelmäßige Retrospektive auf Meta-Klassenebene etabliert. Diese wollen wir fortführen. Dies ermöglicht den Schüler:innen, kontinuierlich das Lernen zu reflektieren und Veränderungen der Unterrichtsstruktur anzustoßen. Erstaunlich dabei ist, dass die Schüler:innen die Retrospektive mittlerweile im Klassenverbund selbstständig durchführen und wir als Lernbegleiter:innen nur noch an der Seitenlinie stehen. Es hat sich bereits jetzt gezeigt, dass die Retrospektiven dabei helfen, die Qualität des Lernens stetig zu verbessern.
Fazit:
Die Reflexionen unserer Schüler:innen haben uns wertvolle Einblicke in die Herausforderungen und Erfolge des vergangenen Schuljahres gegeben. Die positiven Rückmeldungen geben uns Schwung und zugleich zeigen uns die genannten Schwierigkeiten auf, wo wir ansetzen können, um das Lernen noch effektiver und unterstützender zu gestalten. Wir freuen uns darauf, diese Erkenntnisse im kommenden Schuljahr umzusetzen und gemeinsam mit unseren Schüler:innen weiterhin neue Wege des Lernens zu beschreiten. Wir blicken gespannt und motiviert auf das nächste Lehrjahr und freuen uns darauf, die Entwicklung unserer Schüler:innen weiter zu begleiten, zu fördern und hier im Blog zu dokumentieren.
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